
Mehr hatte ich in bei meiner Stammzellentransplantation in der Quarantäne im Spital nicht. Ging sich gerade aufs WC/Dusche und zum Tisch aus.
6 Wochen lang angeleint wie ein Kettenhund, und nein, da gings nicht um die allgemeine Sicherheit der Bevölkerung, sondern um meine Gesundheit. Ich hatte Akute Leukämie und bekam eine lebensrettende Stammzellentransplantation!
Aber alles vom Anfang an, begonnen hat alles im Sommer 2017. Endlose Müdigkeit, absolut keine Kraft, übertriebene Schmerzen.
Ein Arzt hatte sehr starken Eisenmangel festgestellt und vermutete auch Blutarmut, er hat mir geraten mich genau untersuchen zu lassen! HA! Ich aber nahm nur Tabletten, änderte meine Essegewohnheiten- sehr viel Obst und Gemüse, Superfoods…. Es wurde besser, mein Mann und meine Tochter freuten sich mit mir. Im Frühjahr 2018 kamen dann wieder einmal meine Ohrenschmerzen. Tut immer weh, diesmal war es extrem. Ich hätte lieber fünfmal am Tag ein Kind entbunden… Ein HNO-Arzt verordnete mir aber nur Schmerzmittel und Antibiotika, es wurde schlechter und schlechter, ich blutete schon aus den Ohren.
Mittlerweile war auch meine Mama verstorben. Ich konnte mich zum Glück noch mit der ganzen Familie von ihr verabschieden, bevor sie in der Nacht für immer einschlief. Jedenfalls konnte ich nicht zu ihrem Begräbnis gehen, weil die Ohren so schmerzten.
Ein paar Tage später standen plötzlich ein paar Sanitäter und ein Notarzt im Schlafzimmer, und nahmen mich einfach mit. Im Spital musste wegen der nötigen Ohrenoperation ein Blutbefund gemacht werden, und plötzlich hatte ich nicht nur wahnsinnig blöde Ohrenschmerzen, sondern bekam auch gleich die Diagnose Akute Leukämie. Mir wurde irgendwas erklärt, dass ich nicht verstand, weil ich ja fast nichts hören konnte. Dann musste ich was unterschreiben, und einige Tage später wurde ich nach etlichen Untersuchungen operiert. Danach kam ich auf die onkologische Station zur weiteren Behandlung und etlichen Untersuchungen.
Ich wurde nach ein paar Tagen entlassen, bekam dazwischen Bluttransfusionen, denen ich noch immer nachweine, ich fühlte mich danach wunderbar. Es folgte die erste noch leichte Chemotherapie, wochenweise täglich eine Spritze, dazwischen immer eine Chemopause.
Dann die Mitteilung, um eine Chance auf Heilung- Leben zu haben brauche ich eine Stammzellentransplantation, die Suche nach einen geeigneten Spender- genetischen Zwilling begann. Nach wochenlangen warten und bangen endlich die erlösende Botschaft- es wurde ein geeigneter Spender gefunden. Bis Ende 2018 erfolgte meine Behandlung dann noch im SMZ Ost, an dieser Stelle möchte ich mich bei den Ärzten, Krankenpfleger und ganz besonders bei Frau Doktor Stampfl-Mattersberger und ihr Team bedanken, ich war zwar eine brave, aber doch eine rebellische Patientin!
Die bevorstehenden Stammzellentransplantation sollte aber im AKH Wien erfolgen, wo ich dann auch ab Ende 2018 weiter behandelt wurde.
Das Jahr 2018 war äußerst merkwürdig, Anfang Jänner verstarb mein Schwiegervater, Ende April meine Mutter. Dann noch ein Schicksalsschlag, bei unserer damals erst sechszehnjährigen Tochter wurde im Dezember, „rechtzeitig“´ dank Frau Doktor Stampfl-Matterberger Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert. Es folgte auch bei Ihr eine monatelange Chemotherapie im St. Anna Kinderspital.
Viele an Leukämie erkrankte Menschen, darunter auch sehr viele Kinder und Babys haben nicht das Glück wie ich das für sie ein geeigneter Stammzellenspender gefunden wird.
Durch Zufall hat mein Mann in dieser Zeit den Verein „Geben für Leben“ kennengelernt und erfahren das es weltweit zu wenig registrierte Stammzellenspender gibt, und es in Österreich auch an Geld zur Typisierung und Auswertung von potentiellen Stammzellenspender fehlt. Die Chance für einen an Leukämie erkrankten Menschen einen geeigneten Stammzellenspender zu finden liegt bei 1:500.000 bis Millionen, in der weltweiten Stammzellendatenbank sind ca. 36 Millionen Spender registriert, hört sich viel an, aber für viele findet sich kein passender Spender.
Aus diesen Grund hat dann mein Mann gemeinsam mit guten Freunden und Kollegen den gemeinnützigen Verein „VIVANOVA Leukämie Hilfe Wien“ ins Leben gerufen, bei dem ich auch seit 2019 soweit es mir möglich ist tatkräftig mithelfe. Unser Ziel ist es mit Benefizveranstaltungen Spendengelder zu sammeln um diese für Typisierungen zur Verfügung stellen zu können.
Ende 2018 wurden dann im AKH noch weitere Untersuchungen gemacht, auch einige Baustellen in meinen Körper mussten noch vor der bevorstehenden Stammzellentransplantation behoben werden.
Ein Termin für die Stammzellenspende musste mit der Klinik in Deutschland, wo wie wir später erfahren haben die geeignete Spenderin für mich gefunden wurde, abgestimmt werden. Zeitgleich mit meiner Vorbereitung für die Stammzellentransplantation muss auch die Spenderin darauf vorbereitet werden. Dazu wurde meiner Spenderin über fünf Tage hinweg ein Wachstumsstoff gespritzt, mit dem ein grippeähnlicher Zustand simuliert wird. Dadurch wird die Anzahl der Stammzellen im peripheren Blut – also den Blutzellen in den Blutgefäßen – erhöht. Dies kann beim Hausarzt geschehen, aber auch vom Spender selbst vorgenommen werden. Die Stammzellen werden ähnlich einer Blutwäsche direkt aus dem Blut gewonnen.
Dann der Termin, am 4. Jänner 2019 wurde ich im AKH aufgenommen und mit der Behandlung begonnen, durch
8 Ganzkörperbestrahlungen, war ein bissl gruslig und einer darauf folgenden Chemotherapie wurde mein eigenes Immunsystem auf NULL herunter gefahren, ich war in Quarantäne. Die ersten paar Tage gingen ja noch, ich bekam trotzdem viel Besuch, allerdings sahen alle gleich aus da sie Schutzkleidung tragen mussten. Die Pfleger wie die Besucher, war oft recht witzig. An einen Tag kam ein Pfleger zu mir ins Zimmer und sagte, „so jetzt Haare ab“, muss dazu sagen ich hatte früher langes, rotes Haar. Trotzdem hatten der Pfleger und ich dabei auch viel Spaß.
Aber nicht nur das ich wie ein Schwerverbrecher damit aussah, mir war auch ständig kalt am Kopf.
Wenn ich nicht gerade die Bestrahlungen bekam, war ich immer an Geräten und Infusionen angehängt. 7 Meter waren die beiden Schläuche direkt in meinen Hals, die 7 Meter Freiheit für die nächsten 6 Wochen wie anfangs erwähnt. Das Essen war keimfrei, genauso schmeckte es auch. Macht nix, hatte eh noch zu viel Gewicht.
Zeitgleich wurde im St. Anna Kinderspital auch mit der Chemotherapie unserer Tochter begonnen. Es ging ihr nicht so gut, bei ihr fingen, auch sie hatte langes rotes Haar, nach kurzer Zeit schon büschelweise an auszufallen, bis Papa ihr auf ihren Wunsch eine Glatze verpasste.
Mein armer Mann rannte nur noch zwischen zwei Spitäler hin und her. Daheim hatten wie auch noch Hund und Katze, die auch irgendwie versorgt sein wollen… Den Hund hatte er zum Glück hin und wieder für paar Tage an guten Freunden und Familie abgeben können. Er tat mir und meiner Tochter schon wirklich sehr leid. Also mein Mann…
An einen Nachmittag kamen die Klinik-Clowns zu mir ins Zimmer, sehr lieb das Ganze, aber nix für mich. Waren ganz schnell wieder draußen. 5 Minuten später rief mich meine Tochter an, sie war wieder zur nächsten Chemo im Spital, und erzählte mir, dass sie am Vormittag die Klinik-Clowns aus dem Zimmer geschmissen hatte.. Tja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. In dieser doch für uns schweren Zeit konnten meine Tochter und ich uns nur einmal sehen, ihr wurde erlaubt mich gemeinsam mit Papa im AKH kurz zu besuchen.
Dann Tag 8, der 11 Jänner 2019 um ca. 22. Uhr, mein Mann war bei mir im Zimmer.
Der Arzt aus Deutschland ist mit den in einen Koffer an seiner Hand angeketteten Stammzellen im AKH eingetroffen,
kam mir wie in einem Spionageroman vor. Nachdem ich zum x-mal prophylaktisch am WC war, ging es los, sah aus wie zwei Bluttransfusionen,
Ich kann nicht mehr sagen, was die alles mit mir aufgeführt haben, das Einzige, dass ich mir gemerkt habe, war, dass ich mich dabei nicht bewegen durfte, sprich, auch kein Marathonklogang. Das beeindruckte mich so sehr, dass ich während eines Nickerchens Alpträume davon hatte. Das Ganze war äußerst unspektakulär, mir wurde mitgeteilt, dass die ganze Prozedur ca. 2 Stunden dauert. Mein Mann, ein Pfleger und der Arzt drehten sich den Fernseher auf, Formel1… und ich liege ein wenig verloren im Bett, bissl Angst hatte ich doch.. Dann kam was kommen musste, ich musste dringendst aufs WC, hatte das Gefühl der Inhalt der beiden Beutel läuft direkt in meine Blase. Und das dauerte dann noch ca. eine Stunde, die längste meines Lebens. Zum Schluss bat ich schon, dass man das Ding so einstellt, dass der Rest alles auf einmal in meine Adern flutscht, haben sie natürlich nicht gemacht, eine Schwester kam mit einer Bettpfanne. Bevor ich sowas nehme, esse ich sogar die gschmackigen Menüs, die ich dort bekam. Also lauschte ich dem Fachsimpeln über Formel 1. Scheinbar ging es immer langsamer, Tropfen für Tropfen, ich selbst konnte das Ding nicht so einrichten, dass es schneller ging, der der Pfleger beobachtete mich ununterbrochen mit einem Auge. Noch ein Tropfen, fast leer die beiden Sackerln, des schaff ich noch. Der Pfleger deutete auf die Bettpfanne, „NEIN“! Als die Sackerln fast leer war, drehte er es in den 4. Gang und ich durfte dann endlich aufs WC. Wie schön das sein kann, nur durfte ich es niemand sagen, weil ich danach weiter ruhig liegen bleiben sollte. Ich hoffe, es ist mittlerweile verjährt.
Danach ging es erst richtig los, mein Mann erzählte mir, dass es mir sehr schlecht ging. Hatte gefühlte 20 Decken auf mir, weil es mir so kalt war, und kurz darauf fieberte ich wieder. Irgendwann bin ich in einen Tiefschlaf verfallen. Dann begann die gefürchtete GvHD. Das sind Abwehrreaktionen. Beginnend mit starken Halsschmerzen, der Mund war total entzündet, am ganzen Körper Ausschlag der stark juckte, kein Appetit, Hände schmerzten extrem, und Bauchschmerzen, musste mich immer wieder übergeben. Das ist aber gut, meinte der Arzt, ich konnte mir nur meinen Teil dabei denken, den ich hier nicht wiedergeben darf. Nikotin dürfte helfen, darf aber nicht aus dem Zimmer raus, eine Raucherin die gequält wird, und keine Zigaretten. Debate Pflaster hab ich bekommen, hab schon überlegt ob ich sie fressen soll. Ging aber nicht, da ich nix schlucken konnte, egal, das ist auch zum Aushalten. Ich will nach Hause!! Jeden Tag, bei der Visite fragte ich, wann es so weit wäre. A bissl noch, Frau Novacek, bis eine gewisse Stammzellen angewachsen sind, oder so was ähnliches. Einziges (für mich damals) war, dass mein Gewicht runterrasselt. Nur noch 60 kg. YESSS! Es war schön langsam sehr, sehr, fad. Ich sah mir jede Doku im Fernseher an, mein Wissen hat sich enorm gesteigert, was auch nicht sehr nützlich war, denn konzentrieren war für mich ein Fremdwort. Entweder war es das eingesperrt sein, oder die Medikamente. Nächster Tag, nächste Visite. „Morgen dürfen`s heim“, Endlich! Zusammenpacken brauchte ich nicht sehr viel, habe ich schon Tage vorher. Dann endlich kam mein Mann und holte mich aus dem Verließ, kaum im Auto, die beste Zigarette die es je gab. Zu Hause merkte ich, wie schwach ich eigentlich war. Essen konnte ich noch immer nix, es tat alles weh, und meine Verblödung schreitet weiter voran. Mein Mann kümmerte sich rührend um mich und unsere Tochter, ihm war es schon anzusehen, wie sehr ihm das mitgenommen hat. Die GvHD dauerte noch etliche Wochen, wurde aber immer bisserl besser. Hin und wieder schaffte ich es auch schon ein wenig spazieren zu gehen.
Nach der Entlassung dann wöchentlich Kontrolle/Blutabnahme im AKH. Sehr lustig das stundenlange Warten, aber alle müssen warten, egal wann man kommt. Hierbei auch ein Riesenlob an die KMT Abteilung, die wirklich ALLE sehr lieb und kompetent waren. Trotz des Stresses den sie haben, waren sie immer sehr gut drauf, menschlich, geduldig und das Beste- sie haben Humor! Das hilft enorm weiter. Auch die Ärzte, die waren und sind wunderbar, ich muss ja noch immer alle paar Wochen zur Kontrolle. Langsam, sehr langsam geht es vorwärts. Bei Manchen geht’s schneller, manche dauern länger. In der Zwischenzeit war meine Leber beleidigt, hatte Wasser im Bauch (was immer das heißen soll), tageweise keinen Appetit, bin auseinander gegangen wie ein Germknödel wegen des Wassers im Körper, sehr schwach, und schlafe wie ein Murmeltier tagsüber, und in der Nacht bin ich dann oft putzmunter. Hatte Tage, an denen ich fast 24 Stunden schlief. Gewicht- ca 50kg. Inzwischen habe ich 55 kg. Mal mehr, mal weniger, aber ich sehe nicht mehr wie ein Gespenst aus. Haare sind auch wieder in Massen vorhanden. Die Falten, die ich bekam, sind auch weitgehend weg. Ich muss noch immer Medikamente nehmen, darunter auch Immunsuppsessiva, die mein Immunsystem drosseln, damit die Spenderzellen nicht abgestoßen werden. Im Moment habe ich wieder eine leichte GvHD, ist aber nicht weiter tragisch. Zwischenzeitlich hat sich ja das Corona-Virus ausgebreitet, ich muss halt mehr wie alle anderen aufpassen, genieße es aber jetzt mich fast gesund zu fühlen.
Auf vielen Fragen, gab und gibt es für mich nur eine Antwort.. „Nicht an die Krankheit denken!!“ Hatte natürlich auch dazwischen Tage, an denen es mir psychisch nicht gut ging, aber ich durfte ( und darf noch immer) daheim herumjammern, und dann geht’s wieder für die nächsten Wochen. Positiv denken hilft wirklich sehr viel.
Ahja- das Beste zum Schluss: Unsere Tochter ist wieder gesund.
Thomas und Kathi- Ich liebe Euch!
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